„Ein Eindruck ist nach F. Kiener das wahrgenommene Gesamtbild eines Gegenstands oder einer Person – als Produkt eines abgeschlossenen Wahrnehmungsprozesses.“ Soweit eine Definition im Internet, der ich gerne noch hinzufügen möchte, dass auch Zeiträume und Situationen in ihrer Gesamtheit eindrücklich wahrgenommen werden können. Eindruck ist so ein typisch deutsches hartes Wort, auch wenn es das im Wortsinn trifft, denn wenn etwas mit Profil – also etwas was aus der Beliebigkeit und Belanglosigkeit hervortritt – eindrückt, kann es bleibende Spuren hinterlassen. Vielleicht klingt Impression in unseren Ohren etwas weicher. Auf jeden Fall fängt unsere Reise an, Eindrücke in unserem Leben zu hinterlassen, Bilder, die auf jeden Fall bleiben werden, viele davon unbeschreiblich, da die olfaktorische Komponente oft schwer mit Bildern oder Buchstaben zu erfassen ist.
Als ich gerade anfing aus meinem Mittagsschlaf, den ich im Schatten neben Metti genossen habe, aufzuwachen, die Augen noch geschlossen hatte, erlebte ich so einen Moment: Der weiche Wind streichelt sanft meine Waden, während der linke Arm schon in der Sonne lag und begann die Sonnenstrahlen aufzusaugen. In den größeren Bäumen entlockte die Brise den Kiefernnadeln ein Geräusch, welches zwischen Rauschen und fernem Summen lag. Die Vögel, die in der Nähe sangen, hoben sich mit ihrem quicklebendigen Lauten von den Vögeln im Wald ab. Irgendwo fetzten unverstanden, schwedische Sprachschnipsel durch die Gegend. Ob der Käfer, der mir durchs Haar krabbelte, Schwedisch versteht? In die Nase zog der Geruch warmen Waldgeruchs, der in vielen Ländern ähnlich riecht, jedoch weiter im Norden eine feinwürzige Note nach Flechten enthält. So ein geschmeidiges Aufwachen ist für mich echter Luxus.
Dann gab es noch den Abend vor zwei Tagen in Nora, es war schon nach zehn Uhr abends, die Sonne gerade untergegangen aber noch sehr hell. Die Häuser und Gassen der alten Holzstadt gaben die wohlige T-Shirt-Wärme ab, die sie tagsüber gespeichert haben. Der profane Ausdruck dafür wäre: ein lauer Sommerabend. Der Eindruck war weit mehr. Das pakistanische ältere Ehepaar, das über den Marktplatz flanierte, schien aus einer anderen Welt zu kommen. Auch die Jugendlichen, die eher aus der Welt des Halbmondes, der mittlerweile auch schon die Szene begutachtete, kamen, schienen offensichtlich nicht die typisch blonden Schweden zu sein. Das Schubladen-Denken reicht auch hier nicht für die Gesamtwirklichkeit. Der Abend war ruhig, langsam und friedlich und er war unglaublich leicht, trotz des schweren Geruchs, des überall überschwänglich blühenden Flieders.
Flieder scheint nach unserer Beobachtung den typisch schwedischen Frühling zu charakterisieren. Als wir die deutlich abschüssige Kopfsteingasse zum See hin hinabschlenderten, mischte sich zum Fliederodeur noch die leichte Süße der beginnenden Lindenblüte.
In jede der offenen Toreinfahrten lohnte sich der Blick, dahinter verbargen sich mal Pfingstrosen, mal Apfelbäume, mal liebevoll bepflanzte Blumenkübel, mal akkurat geschnittener Rasen. Ein Vogel durchbrach die abendliche Stille mit seinem pflichtvergessenen Gesang, als letztem Gruß von seiner Singwarte an den dahinschwindenden Tag – ein Puzzelteil des Gesamteindrucks oder ein Konzert nur für uns?
Wir freuen uns auf weitere Eindrücke dieser Art.
Gestern sind wir noch bei Nora um den Norasee geradelt, bevor wir weiter nordwärts bis zu dem kleinen Ort Smedjebacken gefahren sind, um unseren Ruhetag am Norra Barken, einem schönen Badesee zu verbringen.